Gegen jeden Faschismus: Selbstverteidigung der Gesellschaft!
- Lêgerîn
- 17. Apr.
- 8 Min. Lesezeit
Von Cudî Raperîn

Bloße Wut wird die Bestie des Faschismus nicht in die Knie zwingen, es braucht eine der Grausamkeit des Faschismus überlegene Methodik, die sich durch Balance, Ethik und Intelligenz auszeichnet. Gewieftheit ist gefordert. Das kalte, berechnende Kalkül des Feindes hält sich nicht an menschliche Werte, an Ethik und Moral. Es zehrt seine Kraft lediglich aus dem Fanatismus der Macht und der daraus resultierenden rohen Gewalt. Das unüberschaubare Chaos aller Geschehnisse des dritten Weltkrieges liegt vor aller Augen.
Relevant ist nun die Frage, die sich Vladimir Ilyich U. Lenin bereits stellte: ‘Was tun?’
Die Frage nach dem ‚Was tun?‘, ist die Frage, wie wir uns als Jugend als weltweit vereinte Front gegen den Faschismus stellen und ihn besiegen. Seit 50 Jahren wird im Land des fruchtbaren Halbmonds erbitterter Widerstand geleistet, die Jugend Kurdistans Seite an Seite mit internationalistischen Jugendlichen aus allen Winkeln der Erde stellt die Front des internationalistischen Widerstands dar. Der türkische Besatzerstaat ist die Klimax des Faschismus des 21. Jahrhunderts. Hinter dem genozidalen Regime der Türkei stehen die NATO und der Staat Israel. Ideologisch repräsentiert der türkische Faschismus in seinem Vernichtungsfeldzug gegen Kurdistan damit auch den Vernichtungsfeldzug gegen die Menschheit als solche. Der Faschismus des türkischen Staates ist eine Ausgeburt der kapitalistischen Moderne, der türkische Staat fungierte für die NATO wie ein Außenminister für den Nahen Osten, stetig im Versuch mit allen dreckigen Mitteln und Wegen die Wiege der Menschheit in den globalen Kapitalismus zu assimilieren.
Die vielen Farben des Faschismus
So analysierte Abdullah Öcalan in den Verteidigungsschriften ausführlich, dass der türkische Staat die Grundlage für den Zionismus und somit dem heutigen Staat Israels gegeben hat. Das Proto-Israel ist aus der frühen türkischen Republik hervorgegangen. Faschismus bloß auf Mussolini, Hitler oder Franco zu reduzieren, würde nicht nur zu kurz führen, sondern würde damit geradewegs dem Liberalismus in die Hände spielen. Ebenso ist der Faschismus auch nicht nur auf ‚Massenpsychologie‘ zu reduzieren, Faschismus ist ein so viel tieferes Gedankengut, dass sich nicht nur in Massenbewegungen beobachten lässt. Solch oberflächliche Herangehensweise er positivistischen Soziologie und Psychologie sind sogar hinderlich, um ein tiefes Verständnis zu entwickeln. Doch Verstehen ist der erste wichtige Schritt für einen erfolgreichen Kampf. Analysieren wir dies nicht, so werden wir nicht verstehen, warum der ‚schwarze Faschismus‘ Deutschlands aus der liberalen Weimarer Republik hervorging, der sogenannte ‚grüne Faschismus‘ des Islamismus durch die USA und den türkischen Staat erstarkte und der ‚weiße Faschismus‘ durch den Zionismus erstarkte und umgekehrt.

Was alle Formen des Faschismus; den weißen, schwarzen und grünen eint, ist ihr Ursprung. Der Faschismus steht nicht für sich, er ist aufs Engste mit dem Fluss der kapitalistischen Moderne verbunden, basiert auf Staat, Macht und Gewalt. Staat, Macht und Gewalt wiederum basieren auf den letzten 5000 Jahren Siegeszuges des Patriarchats, der Versklavung der Frau und des Lebens. Faschismus und Patriarchat sind also eng miteinander verwandt. Anders; der Faschismus braucht das Patriarchat. Denn die Kultur und Freiheit der Frau und des Lebens würde die Gesellschaft vor faschistischem Gedankengut schützen. Somit schafft der Faschismus zunächst einen Käfig für die Frau, um sie von ihrer sozialen Rolle fernzuhalten.
Der Genozid an der Gesellschaft
Physische und kulturelle Massaker sind zentrale Elemente des Faschismus. Die Homogenisierung der Gesellschaft merzt Sprache, Geschichte und Kultur aus. Tausende Sprachen sind im Laufe der Geschichte bereits ausgelöscht oder bis zur Unkenntlichkeit verstellt worden. So haben selbst die heutigen ‚offiziellen‘ Sprachen des Weltsystems wie Englisch oder Deutsch, oder Kolonialsprachen wie Spanisch und Französisch wenig mit ihren Ursprüngen zu tun. Sprache ist ein Spiegel des Denkens und der Geschichte, um seine Herrschaft vollständig in der Gesellschaft zu verankern muss der Faschismus systematisch Sprachen, die so voll von Geschichte und Natürlichkeit sind wie Kurdisch, Ketschua, Tamil, Gälisch, Inuktitut und tausende weiterer indigener Sprachen verbieten oder Sprachen so assimilieren, dass davon nur noch wenig übrig bleibt. Eines der ersten Dinge, die der faschistische Diktator Mussolini unternahm, war, in den Sprachen Italiens alle Dialekte oder sogar gänzlich andere Sprachen zu verbieten und damit einhergehend eine fiktive italienische Sprache zu schaffen.

Eine Geschichte, die noch darauf wartet, geschrieben zu werden
Geschichte wird umgeschrieben oder in Vergessenheit gebracht, allen voran die Geschichte der Frau. Weder ist die Geschichte des Patriarchats niedergeschrieben worden, noch die des Widerstandes der Frau und des Lebens. Wie der deutsche Nazi Göring sagte: „Der Sieger wird immer der Richter und der Besiegte stets der Angeklagte sein,”. Die offizielle Geschichtsschreibung, wie sie in Schulen gepredigt wird, stellt damit nichts anderes dar, als die Geschichte der Herrschaft und des Elends. Neben Sprache und Geschichte ist die Kultur eines Volkes der große Dorn im Auge des Systems. Vielfalt an Kultur steht im direkten Widerspruch zum Faschismus. Umso mehr versucht dieser, mit Kultur zu spielen und sie gegen die Völker einzusetzen. So werden traditionelle Kleidung, Essen, Tänze, Lieder, Geschichten und Mythen entweder vernichtet und verboten oder in den Dienste des Staates gestellt. So, wie auch Mustafa Kemal die türkische Republik unter dem Motto “Eine Sprache, ein Vaterland, eine Kultur, eine Fahne, eine Nation” erschuf.
Fordern wir unsere Kulturen vom Faschismus zurück!
Sprache, Geschichte und Kultur gemeinsam bilden die Identität eines Volkes und einer Nation. Die starke Stimme der Gesellschaft wird vom Faschismus verstimmt, als hätte sie Scharlach, bis sie nahezu nicht mehr zum Sprechen in der Lage ist. Eine revolutionäre Jugendbewegung muss dem umso mehr Stärke durch Vielfalt entgegensetzen. Im Kampf gegen den Faschismus muss die kollektive Identität gestärkt werden, indem Sprache, Geschichte und Kultur verteidigt und wiederbelebt werden. Allen voran die Frau und innerhalb antifaschistischer Jugendbewegungen die junge Frau, muss ihre Rolle im Kampf gegen Faschismus klar auf sich nehmen. Denn in der westlichen Welt wird immer deutlicher, wie sehr die Rolle der Frau benutzt wird.
Besonders der europäische Faschismus geht dabei mehr als hinterlistig vor. Er stellt die Frau in die erste Reihe, um damit zu sagen: „Seht her! Die Frau emanzipiert sich, sie ist von der Hausfrau zur Staatsfrau geworden!“ Das dahinterstehende Gedankengut ist kein geringeres, als die Grundlage des Faschismus selbst. Dieser schlummert im Staat und wartet nur darauf, sich in all seiner Grausamkeit entfesseln zu können. Geschichte, Sprache und Kultur werden systematisch vom Faschismus manipuliert und besonders die Jugend so mit dieser Ideologie getäuscht.

Eine revolutionäre Jugend muss sich in ihrem Geschichtsbewusstsein stärken, ihre Kultur kennenlernen und ihre Sprache verteidigen. Damit kann sie eine Identität schaffen, die sich selbst so bewusst ist, dass sie sich gegen jegliche Angriffe des Faschismus zunächst selbst verteidigen kann. Doch im heutigen System der kapitalistischen Moderne ist eine Verteidigung der Identität ohne Organisierung nicht möglich. Umso mehr konzentriert sich das System darauf, mit Methoden des Spezialkriegs Liberalismus zu verbreiten, die Persönlichkeiten zu schwächen und damit Organisierung unmöglich zu machen.
Notwendigkeit einer neuen Führung der Jugend
Eine starke Organisierung besteht aus starken Individuen, starke Individuen entstehen aus einer starken Organisierung. Eine Organisierung, eine Bewegung, setzt sich aus all ihren unterschiedlichen Elementen zusammen und formt daraus ein Ganzes. Anders wäre es, als würde ein Körper nur aus ganz vielen gleichen Organen bestehen, etwa aus 78 Lungen, anstelle von Lunge, Herz, Nieren, Darm. Alle Organe funktionieren auf ihre eigene Weise, eingebettet im großen Ganzen – dem Körper. Darin funktionieren sie harmonisch wie ein Orchester. Nun, sowohl ein Körper als auch ein Orchester braucht jedoch einen Dirigenten. Die revolutionären Jugendbewegungen stecken seit der ersten Jugendrevolte der 68er in einer Krise der Führungslosigkeit. Starke Persönlichkeiten, die die schwere Aufgabe der Wegbereitung auf sich nehmen, gab es in jeder Generation der Geschichte. So braucht auch das 21. Jahrhundert seine Vorreiterschaft. Mit dem internationalen Komplott vom 15. Februar 1999 gegen Abdullah Öcalan erhoffte sich die NATO, Israel und die Türkei die kurdische Freiheitsbewegung ein für alle mal zu vernichten, in dem sie deren ideologischen und praktischen Wegbereiter Öcalan entführte und auf Imrali in Isolationshaft einsperrte. Doch wahre Führungskraft zeichnet sich nicht einfach durch physische Präsenz aus.
So leben Zarathustra, Mani, Abraham, Jesus, Mohammed, die Trung-Geschwister Vietnams, Che Guevara, Ho Chi Minh, Thomas Sankara, Şehîd Sara Sakine Cansiz, Şehîd Kemal Pîr und tausende von Revolutionärinnen und Revolutionären der Geschichte noch immer im Geiste von Milliarden von Menschen und weisen ihnen den Weg. Die revolutionäre und internationalistische Jugend dieses Zeitalters muss sich die Frage nach ihrer Führung ehrlich stellen und demnach handeln. Der Kampf gegen den Faschismus sucht seine Wegbereiter!
So stellt Abdullah Öcalan und seine Ideologie, seine Philosophie und sein Paradigma für ein freies Leben einen universellen Ansatz dar. Sowohl in der Analyse des Faschismus, der Geschichte des Patriarchats, der Analyse von Staat, Macht und Gewalt als auch in deren Alternative; der Forschung der Jineolojî (Wissenschaft der Frau und des Lebens), der demokratischen Moderne und der Revolution der Frau hat Öcalan einen Lösungsansatz vorgeschlagen, der für alle Völker der Welt im Kampf eine Linie darstellt.
Bildung als Aktion gegen Faschismus

Um den Faschismus sowie den Lösungsansatz in Tiefe zu verstehen, benötigt es ideologische Vertiefung durch Bildung. Uns dürfte nichts im Wege stehen, 24 Stunden am Tag Bildung in das Zentrum unseres Lebens zu stellen. Bildung geht weiter über das Lesen hinaus. Jeder Moment kann zu Bildung werden, Bildung ist eine Lebenseinstellung. Sozialist/in zu sein bringt diese Verantwortung mit sich. So sehr der Faschismus das Geschichtsbewusstsein und das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft manipuliert, so sehr muss es zur Selbstverteidigung vertieft werden. In jedem einzelnen Moment, selbst wenn kein physischer Angriff, kein Mord oder Massaker verübt werden sollte, zielen Spezialkriegs- und Manipulationsmethoden weiter darauf ab, ideologisch zu beeinflussen. Was sich nicht anpasst, wird vernichtet.
So zeigt sich dies vor allem in der Realität der kurdischen Gesellschaft sehr deutlich. Der türkische Faschismus hat einen ‚guten Kurden‘ und einen ‚bösen Kurden‘ kreiert, wobei der ‚gute Kurde‘ nur der assimilierte Kurde ist, der willenlos gemacht wird und gänzlich ins System integriert wurde. Der ‚böse Kurde‘, oder auch ‚der Terrorist‘, ist der Kurde, der Widerstand leistet und seine Kultur verteidigt. Diese Logik lässt sich überall in der heutigen Welt finden. Diese Mentalität lässt sich auch auf das Patriarchat und die Realität der Frau anwenden.
Besonders im wütenden dritten Weltkrieg spielt das Denken in Schwarz und Weiß eine wichtige Rolle im Aufrechterhalten des Kriegszustands. Mittel wie soziale Medien, massenproduzierte Nachrichten, der Sport-Industrie und ihrem Wahn, der Reduzierung des Menschen auf seine Triebe wie Essen, Schlafen, Trinken und Sex haben zu einer Verdummung geführt, die der Faschismus braucht, um die Gesellschaft zu Desensibilisieren und einzuschläfern. Dass der dritte Weltkrieg schon seit dreißig Jahren tobt, ist kein Geheimnis, ein Blick auf die Lage der Welt sollte dies direkt klar werden lassen. Es ist wichtig zu verstehen, dass sich hinter dem Dritten Weltkrieg ein weitaus komplexeres Geflecht verbirgt, als hinter dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Die Menschheit steckt im Krieg des Sein oder Nichtseins und der Ausgang des dritten Weltkrieges wird den Fortbestand der Menschheit bestimmen. Und um eben demgegenüber eine kampfunfähige Jugend gegenüber allen Angriffen wehrlos zu machen, erzeugt das System Ohnmacht, Hoffnungslosigkeit, Nihilismus.
Der Faschismus ist nicht unbesiegbar

Doch der Kampf gegen den Faschismus ist kein Kampf gegen eine Übermacht. Der Faschismus basiert zwar auf Macht, doch ist besonders der postmoderne Faschismus ein System der Fragilität. Er wurzelt nicht tief in der Gesellschaft. Kein System, welches auf Staat, Macht und Gewalt aufbaut, kann sich tief in der Gesellschaft verankern. Im Gegenteil, solche Systeme sind zerbrechlich. Europa ist darin ein klares Beispiel. Der moderne Faschismus im Gewande Melonis, der AfD, die Prawo i Sprawiedliwośćer (PiS), Rassemblement National, Fratelli d’Italia erstarkt in eben jener Phase, in der die Gesellschaft sich an einem Siedepunkt befindet. Jegliche erdenkbare Krise, mit der die Gesellschaft kämpft, hat sie in Wut, Angst und Ohnmacht getrieben. Die Jugend im Kampf gegen den Faschismus kann mit gutem Geschichtsverständnis, klarer und authentischer Sprache, dem Beherrschen der Kunst der Propaganda und einem alternativen, kulturellen Lebensstil, diesem Glas-Faschismus den Nagel ansetzen und es zerspringen lassen. Bildung kann die Jugend verstehen lassen, dass der Faschismus nicht so unbesiegbar ist, wie er sich darstellt.
Gleichzeitig wäre es eine verheerende Selbsttäuschung und Geschichtsverleugnung zu denken, physische Selbstverteidigung wäre keine absolute Notwendigkeit. Wer aus der Geschichte der letzten tausenden von Jahren lernt, begreift dies; wo immer der Feind keine Möglichkeit zum kulturellen Massaker sieht, wird er dort ein physisches Massaker verüben.
Neben aller Bildung, Organisierung der Gesellschaft und Kampf der Mentalitäten muss die physische Selbstverteidigung gut durchdacht und zweckdienlich aufgestellt werden. Der revolutionäre Volkskrieg hat in der Geschichte und im Jetzt starke Vorbilder. Im Geiste wie vor zweitausend Jahren die Trung-Geschwister Vietnams über Lepa Radic bis zu Şehîd Zîlan; der Widerstand gegen den Faschismus hat viele Fronten, nur vereint im Geiste des Internationalismus werden sich diese Fronten zu Einer zusammenschließen.
Heute sind die freien Berge Kurdistans des Sozialismus’ vorderste Front. Ihr Sieg wird den postmodernen Faschismus auf dem Schlachtfeld der Menschlichkeit um Meilen zurückdrängen. Jeder Angriff des Faschismus auf die freien Berge Kurdistans ist somit ein Angriff auf den Sozialismus als Solchen. Der Aufbau der demokratischen Moderne ist somit das Heilmittel für die Krankheit des Kapitalismus. Es ist die Aufgabe einer jeden Sozialistin und eines jeden Sozialisten die Werte der Menschheit, die Werte des Sozialismus hoch zu halten und mit ihnen dem Faschismus den Todesstoß zu geben.
Commentaires