Antifaschistischer Widerstand im 21. Jahrhundert – Frauenrevolution oder Untergang
- Lêgerîn
- 15. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
Hilde Kramer
„Das Problem von Macht und Staat befindet sich offensichtlich in einer seiner schlimmsten Phasen. Das Dilemma ›entweder demokratische Revolution oder Faschismus‹ ist an der Tagesordnung und nach wie vor lebenswichtig“
(Abdullah Öcalan)

Es zeigt sich in vielerlei Hinsicht, dass dieses Jahrhundert, in welchem wir uns befinden, in dem wir geboren und aufgewachsen sind, ein besonderes ist und sein wird. Es ist spür- und sichtbar. Die Natur schreit förmlich nach Veränderung, nach einem anderen Leben. Doch nicht nur die Natur, auch die Gesellschaft befindet sich in einem Zustand der Krisen, die sich so sehr zugespitzt haben, dass die letzten beiden Möglichkeiten, die verbleiben „Untergang oder Revolution“ sind.
Die Krisen in denen wir uns befinden sind systemisch. Sie sind das Resultat von fünftausend Jahren Herrschaft und vierhundert Jahren kapitalistischer Moderne. Weil das System des Staates, auf dem die Macht basiert, auf der endlosen Ausbeutung der Natur und der Gesellschaft beruht, kommt es an sein Ende. Denn die Natur ist nicht unendlich und die Gesellschaften, insbesondere die Frauen spüren, dass der Zeitpunkt gekommen ist, dem System der Macht ein Ende zu setzen und ein freies und ökologisches Leben aufzubauen. Die Krise des Systems, dass wie eine wütende Bestie mit allerletzter Kraft versucht sich am Leben zu erhalten, wird im dritten Weltkrieg und damit einhergehend im aufkommenden Faschismus deutlich.
Dieser Krieg, der sich auf so vielen Ebenen abspielt, ist neben dem physischen Krieg in Palästina, Sudan, Kurdistan oder der Ukraine, vor allem ein Krieg um unsere Herzen und Köpfe. Es ist ein Krieg der Nationalstaaten mit dem Ziel des Selbsterhalts. Es ist ein Krieg den sie nicht gewinnen können. Die Mittel zu denen die Herrschenden nun greifen ist die wachsende Identifizierung der Gesellschaft mit dem Nationalstaat. Denn ein Staat kann nicht existieren ohne die Gesellschaft. Der gern gewählte Weg der Herrschenden, sowie es die Monopolkapitalisten bereits im 20. Jahrhundert taten, ist der des Faschismus.
Der Staat, der Faschismus und die Mittelschicht
Sie bringen also die Gesellschaft bis in die tiefsten Poren ihrer selbst dazu, den Nationalstaat als etwas Heiliges zu verehren und insbesondere durch die Medien der Gesellschaft ihrer Moral zu berauben und ihr die Meinung des Staates als ihre eigene Meinung zu verkaufen. Der Faschismus ist also sozusagen die Regierungsform in Krisenzeiten. Insbesondere das Kleinbürgertum als Klasse „zwischen den Klassen“ spielt eine wichtige Rolle für den Faschismus. Das Kleinbürgertum ist die Klasse, welche am meisten durchtränkt ist mit der Ideologie der kapitalistischen Moderne, dem Liberalismus.
Abdullah Öcalan bezeichnet den Faschismus als den sogenannten Ehrengast des bürgerlichen Liberalismus.
In ihr vereint sich eine Angst vor Verlusten, gepaart mit dem Klammern an das Bestehende und eine Furcht vor Neuem, vor Veränderung. So kommt es also dazu, dass in Zeiten von großen Krisen besonders diese Klasse sehr empfänglich ist für Ideen die eine Rückkehr zu altbekannten klassischen Geschlechter-und Familienrollen beinhalten.
Ein weiterer Aspekt, der sich in Zeiten der Krisen zeigt, ist der der Militarisierung. Sie ist ein weiteres Mittel um die Gesellschaft dazu zu bringen, den Nationalstaat zu verteidigen. Wir können sehen, dass insbesondere die Jugend militarisiert wird. Anhand von abenteuerlichen Werbeplakaten, die das Leben in der Armee romantisieren oder mit den Slogans „Freiheit verteidigen, Frieden sichern, Demokratie schützen“ und dynamischen Bildern von Jugendlichen in Spezialeinheiten der Armee wird versucht die Jugend dazu bringen ihr Leben zu geben im Interesse der Nationalstaaten.
Der sexistische Charakter des Faschismus des 21. Jahrhunderts
Es ist also nicht verwunderlich, dass der Faschismus in Zeiten der Krise, in großen Chaos-Intervallen erneut auf dem Vormarsch ist, sei es auch mit einem anderen Gesicht. Das neue Gesicht des Faschismus im 21. Jahrhundert können wir als einen starken Angriff auf die Identität der freien Frau begreifen und als Reaktion auf die Errungenschaften der Frauenrevolution. Generell ist zu beobachten, dass die Gewalt in der Gesellschaft steigt. Das Bild eines patriarchalen Mannes wird verstärkt propagiert. Dies zeigt sich in der steigenden Zahl der Feminizide und allgemein in der Zunahme der Gewalt gegenüber Frauen und Kindern. Dass die Familie als „Staat des kleinen Mannes“ darin eine große Rolle spielt, wird besonders darin deutlich, dass ein Großteil der Morde an Frauen innerhalb dieser familiären Strukturen geschieht.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich auf einmal türkische, deutsche und französische Faschisten verbrüdern. Denn sie vereint das Bild eines patriarchalen Mannes und der Unterdrückung der Frau.
In den Medien der faschistischen Parteien, Organisationen und Jugendorganisationen sind es insbesondere junge Frauen, die die neuen Gesichter des Faschismus sind. Sie stärken faschistische Narrative durch den Widerspruch zu dem, wie der Modernismus die Frau sieht und definiert, welche Rolle der Liberalismus ihr gibt. Sie inszenieren sich als starke Frauen, welche sich dennoch klar dem Mann unterordnen.
Eine freie Identität?
Die Widersprüche zum liberalen Entwurf einer Frauenidentität sind sehr wichtige Widersprüche, jedoch ist auch die faschistische Identität der Frau am Ende immer Opfer dieses Spiels. Denn weder die eine Frauenidentität noch die andere drückt eine Freie Frau aus, sie sind beide unfreie Identitäten. Sowohl die komplette Auflösung der Geschlechtsidentitäten und damit auch das Aufgeben der Suche nach der freien Identität von Frau und Mann, als auch die Rückbesinnung auf die klassische Rolle der Frau als Mutter und Hausfrau stellen tief gehende Angriffe auf die Frauenrevolution dar. Die neue Rechte zeichnet sich durch Kritik am Kapitalismus und des Liberalismus aus, aber statt, dass diese Widersprüche Ausgang für eine revolutionäre Suche sind, wird sich auf die altbekannten Geschlechterrollen bezogen.
Damit einher geht die Suche nach den vermeintlich Schuldigen. Dabei werden die politischen Ziele oft vage formuliert und reißerische Feindbilder konstruiert. Neben den links-liberal bis konservativen Parteien in den Regierungen, sind es vor allem junge Männer aus dem mittleren Osten und Linke, die vorwiegend von der Rechten verantwortlich gemacht werden für die zunehmenden Gewalt an Frauen oder der liberalen Auflösung vermeintlich traditioneller Werte. Der faschistische Gegenentwurf ist der Entwurf einer Frau, die ihre Heimat bewahrt, in dem sie an den Haushalt gefesselt ist. Dies jedoch aus Liebe und Heimatverbundenheit. Auch das stellt einen großen Angriff auf die Prinzipien der Frauenbefreiungsideologie dar, die besagt, dass Heimatliebe bedeutet, eine Verbundenheit zur gesamten Gesellschaft, zur Geschichte, zum Land und zu demokratischen Werten bedeutet.
Wie hat sich der Faschismus entwickelt?
In der schwersten wirtschaftlichen Erschütterung des kapitalistischen Systems seit seinem Bestand trat in Gestalt des Nationalsozialismus das Kleinbürgertum auf die politische Tribüne und hält den revolutionären Untergang der kapitalistischen Herrschaft auf. Die politische Reaktion weiß diese Bedeutung des Kleinbürgertums sehr richtig einzuschätzen.
„Der Mittelstand ist für die Existenz eines Staates von entscheidender Bedeutung” hiess es in einen Flugblatt der Deutschnationalen vom 8. April 1932.
Auch Franco machte in seiner Aussage, man brauche keine Angst davor haben, dass sich der Kommunismus in Spanien durchsetzt, weil er ein so großes Kleinbürgertum aufgebaut hat deutlich, dass der Mittelstand, oder das Kleinbürgertum als Klasse und Mentalität ein großes Hindernis ist für den Erfolg einer Revolution.
Neuer Nationalismus
Die Narrative, die von der Neuen Rechten gesetzt werden haben sich verändert im Gegensatz zu denen des Faschismus im 20. Jahrhundert. Statt offen von einer überlegenen „Rasse“ zu sprechen, wird nun von einer überlegenen Kultur gesprochen, gemeint ist aber dasselbe. Der Faschismus des 21. Jahrhunderts äußert sich auch darin, dass versucht wird eine Identifizierung nicht mehr nur zur nationalstaatlichen Identität aufzubauen, sondern darüber hinaus, sich mit Europa zu identifizieren. Sie versuchen die Vorstellung einer völkischen Überlegenheit zu verbreiten. Ihre Narrative erreichen viele, da sie gut anknüpfen an die generelle Unzufriedenheit und der Angst vor den Krisen und dem sich verschärfenden 3. Weltkrieg.
Der Faschismus, der sich hinter vielen der Narrative versteckt ist hinterhältig und nicht besonders offensichtlich.
Zum Beispiel wird auf lokales Handwerk und die Stärkung des ländlichen Raumes gesetzt. Aber auch andere Aussagen werden stark verbreitet in der digitalen Öffentlichkeit. So zum Beispiel die Forderung der „Remigration“, mit dem ein sofortiges Abschieben aller Männer aus dem Mittleren Osten und Afrika gefordert wird. Die Faschisten des 21. Jahrhunderts sind stark vernetzt, so gibt es zum Beispiel zwischen deutschen und französischen faschistischen Jugendorganisationen einen starken Beziehungsaufbau und gemeinsame Bildungscamps.
Der Faschismus des 21. Jahrhunderts zeigt sich auf viele Arten und Weisen. Besonders schlimm ist wohl die Erscheinung des Faschismus in Frauen wie Georgia Meloni oder Annalena Baerbock. Als Kaderinnen der kapitalistischen Moderne stärken sie einerseits klassische Familienstrukturen und andererseits, besonders Annalena Baerbock, versuchen sie die Werte und die Ästhetik der Frauenrevolution zu verschlucken, zu färben und zu drehen, um im Umkehrschluss die Nationalstaaten zu stärken.
Als Frauen treten sie an für die kapitalistische Moderne und sind damit eine große Gefahr für die Frauenrevolution. Besonders der Liberalismus, ganz nach dem Slogan “Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ und der Individualismus sorgen dafür, dass jeder sein eigener Herrscher wird.
Neuer Widerstand erhebt sich
So wie es im Faschismus des vergangenen Jahrhundert tausende Frauen gab, die sich entgegengestellt haben gegen die Vernichtung durch die faschistische, patriarchale Mentalität, so stehen wir heute als revolutionäre junge Frauen und Männer Seite an Seite im Kampf gegen den Faschismus und für den Aufbau eines freien Lebens. Wir stehen in der Tradition der etlichen Partisaninnen, wie etwa Irma Bandiera oder Lepa Svetozara Radić, und wollen ihrem Erbe gerecht werden und ihren Kampf fortführen. Denn wie es Șehîd Sara Dorsin schreibt:
“Dieser Krieg den wir den 3. Weltkrieg nennen, ist vor allem ein ideologischer. Wenn wir gewinnen, ist das ein Sieg über eine große Depression. Wenn wir aber scheitern, wird sich eine noch größere Hoffnungslosigkeit über genau diejenigen legen, die jetzt vielleicht interessiert zuschauen, es aber nicht schaffen, aktiv auf der militanten Seite zu kämpfen. Dass aber zu kämpfen bedeutet, gar nicht verlieren zu können, dass wir schon gewonnen haben, wenn wir wirklich zu kämpfen beginnen. Dieser Krieg ist unser Krieg, unsere Verantwortung, unsere Entscheidung und unsere Entschlossenheit.“

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